Peer to Peer

Peer kommt aus dem Englischen und steht für "ebenbürtig", "auf Augenhöhe".

Dass Betroffene sich gegenseitig unterstützen, kennt man vor allem am Beispiel der Suchterkrankungen, wie zum Beispiel die Anonymen Alkoholiker. Auch im Bereich der Borderline-Erkrankung findet man auf dieser Ebene mehr und mehr Unterstützung.

 

Der Austausch über Erfahrungen mit einer Erkrankung und deren Folgen mit anderen Betroffenen kann einen heilenden Effekt haben. Man fühlt sich verstanden und kann schneller Vertrauen aufbauen. Der Aufbau von Vertrauen ist in der Therapie ein schwieriger Prozess und manche Menschen schaffen es auch nach langer Zeit nicht, sich auf Ärzte und/oder Therapeuten ausreichend einzulassen. Das Misstrauen gegenüber Autoritätspersonen ist zu groß. Es ist ein normaler Prozess, dass man sich unverstanden fühlt und die Motive seines Gegenübers hinterfragt. Schwierig wird es, wenn man keinen Weg aus dem Misstrauen findet. Auch mit Angehörigen und Freunden, so denn diese überhaupt vorhanden sind, kann man nur bedingt reden. Es ist eine verwirrende, einsame Welt.

 

Kommt man dann mit Menschen in Berührung, die ganz ähnliche Erfahrungen haben, die wissen, was es bedeutet "mal wieder gerade richtig Borderline drauf zu sein", erlebt man zum ersten Mal Verständnis und - ganz wichtig - Annahme. Niemand dort schaut auf einen herab. Es gibt diesen Spruch: "Urteile nicht, bevor du nicht 500 Meilen in meinen Schuhen gegangen bist!". Tatsächlich aber ist es eher so: Wenn man den gleichen Weg gegangen ist, begegnet man dem Anderen eher mit Verständnis denn mit Verurteilung.

 

Das DBT-Training findet in einer Gruppe statt, was für die meisten gar nicht leicht ist, denn sie müssen sich nicht nur auf ein Gegenüber einlassen, sondern gleich auch noch auf mindestens eine handvoll weitere Individuen. Doch es zeigt sich, dass genau dieser Erfahrungsaustausch oft wichtige Impulse gibt und sich langsam ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt.

 

Gruppentherapie? Ist das was für mich?

 

Ich hatte zu Beginn großes Misstrauen gegenüber der Gruppentherapie und hielt mich für völlig ungeeignet. Gleichzeitig war ich an einem Punkt im Leben, wo ich nichts mehr zu verlieren hatte. Dann setzt man sich eben auch mal anderthalb Stunden in so eine Gruppe. Wenn ich zurückdenke, kann ich klar sagen, dass ich mich am Anfang verweigert habe. Ich bin mit dem Gefühl in die Gruppe gegangen, dass es nur meine Unterschrift auf der Anwesenheitsliste braucht und keinerlei weitere Erwartungen an mich gestellt wurden. Anfänglich kam mir das Skillstraining mehr wie Beschäftigungstherapie vor.

 

Dann stehen immer mehr Gefühle und Gedanken im Raum, die man selbst nur zu gut kennt. Der wertschätzende, nicht wertende Umgang mit diesen war für mich berührend. Es war tatsächlich genug, anwesend zu sein. Über dieses Gefühl habe ich den Einstieg ins DBT-Training gefunden.

 

Am Ende der Therapie steht eine gute Selbstfürsorge, weil man es sich selbst wert ist. Und jedenfalls den Psychologen in meinen Kursen ist es gelungen, eine Atmosphäre zu schaffen, wo das auch möglich war.

 

Was erwartet mich in der Selbsthilfegruppe?

 

Nach Abschluss der Module habe ich den Wechsel in eine Selbsthilfegruppe gewagt. Es war eine weitere gute Erfahrung auf meinem Weg. In der Regel sind solche Gruppen selbst organisiert und daher hängt es natürlich sehr von den Menschen ab, wie gut es läuft.

 

Der Austausch ist noch einmal intensiver, da man die Themen selbst mitbestimmen kann und eben auch Zeit für die persönlichen Probleme ist. Das ist im DBT-Training nicht so der Fall. Da geht es mehr um das Erlernen der Skills.

 

Im Alltag hilft es mir sehr, Menschen an meiner Seite zu haben, mit denen ich Rücksprache halten kann oder die ich auch kontaktieren kann, wenn es mir schlecht geht. Da sind dann nie viele Worte nötig. Man steht sich ganz unkompliziert bei. Gleichzeitig entsteht eine gute Vertrauensbasis.

 

Nicht vergessen darf man auch den Aspekt, dass an dieser Stelle viel Wissen zusammen kommt über Behandlungen, die Ärzte vor Ort, das Therapieangebot, die Erkrankung selbst und allein davon profitiert man ungemein.

 

Der Borderline-Trialog

 

Zur Selbsthilfe gehört auch die Auseinandersetzung mit den Gefühlen und Gedanken von Menschen in unserem Umfeld. Wie geht es den Angehörigen in der Auseinandersetzung mit Borderline-Betroffenen? Welche Motive hat das Pflegepersonal?

 

Bei einem Trialog treffen sich Betroffene, Angehörige und Ärzte, Pflegepersonal sowie Therapeuten auf Augenhöhe und tauschen sich über ihre Erfahrungen, aber auch über ihre Probleme und Ängste aus. Man tritt sich als Mensch gegenüber. 

 

Auch hier kann Heilung stattfinden. Man übernimmt Verantwortung für sich und seine Bedürfnisse, indem man gemeinsam "mit der anderen Seite" eine Möglichkeit für wertschätzenden Umgang miteinander erarbeitet und das in einem Umfeld, wo man ernst genommen und gehört wird. Es treffen Menschen aufeinander, die etwas in der Psychiatrie verändern wollen, die Bedingungen für alle Erkrankten verbessern wollen.

 

Mir ist über die Rolle der Angehörigen, über ihre Ängste und Schwierigkeiten, auch und gerade über ihre Hilflosigkeit vieles klarer geworden und ich konnte anfangen, mich meiner Familie und meinen Freunden gegenüber klarer zu äußern. Erklären, warum manche Dinge so sind, wie sie sind. Aufzeigen, was ich in welchen Momenten brauche. Und natürlich habe ich mehr Mitgefühl für mein Gegenüber entwickelt. Das macht es oft einfacher, mit schwierigen Situationen umzugehen.

 

Die Genesungsbegleitung

 

Letztendlich hat mich die Krise an den Punkt meines Lebens geführt, wo ich mich endlich angenommen und auch angekommen fühle. Auf meinem Programm steht die Ausbildung zur Ex-In-Genesungsbegleiterin.

 

Die Ausbildung richtet sich an menschen, die Erfahrungen mit schweren Krisen sammeln konnten, oftmals auch auf die eine oder andere Art Psychiatrieerfahrungen gemacht haben und nun so stabil sind, dass sie ihre Krisen aufarbeiten können, um die gemachten Erfahrungen so an andere Betroffene weitergeben zu können.

 

In den nächsten Jahren werden immer mehr die Teams an Kliniken und in Beratungsstellen durch die Mitarbeit von Genesungsbegleitern ergänzt werden, der Staat legt gerade die Grundlage dafür. Die Arbeit auf Augenhöhe mit den Erkrankten bekommt so eine immer größere Stellung.

 

Organisationen

Selbsthilfegruppen

Adressen findet man über die Selbsthilfevertretung vor Ort. Wenn man im Netz keine entsprechende Stelle findet, kann man sich an die Paritätische wenden.

 

Borderline-Trialog

In Nürnberg ist die Borderline-Trialog Kontaktstelle, wo man nicht nur eine Menge über die Erkrankung und die Möglichkeiten der Behandlung erfahren kann, sondern eben auch, wo der nächste Trialog in der Nähe stattfindet.

 

Ex-In-Genesungsbegleiter

Experte aus Erfahrung. Der Genesungsbegleiter schöpft aus dem eigenen Erleben der Krankheit und kann dem Betroffenen mit seinem eigenen Erleben der Krankheit zur Seite stehen.

 

Internetforen

Nicht zu unterschätzen ist der Austausch über das Internet. Es gibt zahlreiche Seiten und natürlich haben auch die sozialen Medien wie Facebook ihre Gruppen. Man muss sich ein wenig umschauen. Nicht immer ist das Konzept erfolgreich, wenn sich so viele Betroffene, die auf unterschiedlichem Genesungslevel sind, miteinander austauschen. Aber einen Versuch ist es wert.