Assistent meines Vertrauens - Der Notfallkoffer

Persönliche Einteilung von Skills

Dissoziation

  • rausholen 

 

Druckabbau

  • starker Reiz

 

Angst, Unsicherheit

  • beruhigen

Das Ziel:

  • Effektive, zügige Reduzierung der Anspannung

Nebenstehende Einteilung habe ich für mich persönlich erarbeitet. Ich empfehle, dass jeder für sich selbst über eine passende Sortierung und Benennung nachdenkt.



Skills für den Notfall

Im Internet findet man zahlreiche Listen mit sogenannten Notfallskills. Da stehen dann Dinge wie "Amoniakfläschen mitführen" oder "Stift, um rote Linie auf den Arm zu malen" und immer wieder gerne erwähnt "eine Chilischote".

 

Ich halte von solchen Listen wenig und mir persönlich scheinen sie im Gegensatz zum Zweck von DBT zu stehen. Das heißt nicht, dass ich jemanden davon abhalten möchte, sie sich anzuschauen und sich Inspirationen zu holen, aber ich selbst werde keine solche Liste online stellen.

 

Es gehört zum Prozess der Therapie, sich damit auseinander zu setzen, welche Art von Krisen und Notfällen das Leben bestimmen und anhand dessen zu überlegen, wie die Hilfe aussehen sollte, die man in seinem Notfallkoffer vorfindet.m Dazu ist es immer auch gut zu schauen, auf welche Art von Reiz man ganz besonders gut reagiert (und welcher Situation).

 

Was tut mir gut?

 

Geistige oder körperliche Ablenkung?

 

Welche Sinne spreche ich am besten an?

  • Sehen
  • Riechen
  • Hören
  • Fühlen
  • Gleichgewichtssinn*

(*Hinweis: Kennen Sie das Buch von

Claudia Croos-Müller : "Nur Mut! Das kleine Überlebensbuch: Soforthilfe bei Herzklopfen, Angst, Panik & Co."

Sehr reizend, sehr hilfreich!)

 

 

Mein Notfallkoffer ist mein Assistent

 

Ich weiß zum Beispiel für mich, im Fall einer Krise, die sich nicht selten durch eine Panikattacke äußert, brauche ich Bewegung. Und das weiß ich auch, ich brauche keinen Gegenstand der mich daran erinnert, sondern ich muss mich auf meine Atmung konzentrieren, um die Erstarrung meines Körpers zu lösen.

 

Mein "Notfallkoffer" ist also eher ein persönlicher Assistent in meinem Kopf, der mir Anweisungen gibt, tief zu atmen, der mir Mut macht.

 

Ansonsten trage ich immer, wenn ich rausgehe ein Lederarmband, das ich häufiger berühre, das mich immer mal wieder zwischendurch daran erinnert zu entspannen und mal tief einzuatmen. Diese Verknüpfung zu etwas Vertrautem, zu etwas, das ich aus Gewohnheit trage, war für mich wichtig und hat auch nach Jahren seine Wirksamkeit nicht verloren, sondern eher im Gegenteil, die Verbindung wird immer stärker. Also Skills können ihre Wirkung verlieren, sie können aber auch stärker werden.

 

Bitte kein Sammelsurium an Skills

 

Im Verlauf der Therapie bin ich immer wieder auf Mitpatienten gestoßen, die in ihrer Kosmetiktasche ein ganzes Sammelsurium an Gegenständen hatten. Vielleicht weil sie das Gefühl brauchten, auf alles vorbereitet zu sein. Nur gerade da habe ich dann öfter erlebt, dass es genau diese Leute sind, wo dann die Skills im Notfall versagen.

 

Und da kann ich aus meiner Beobachtung mitgeben, dass man den Mut nicht verlieren sollte. Wenn ein Skill nicht funktioniert, dann nicht, weil man selbst zu doof ist. Ich habe noch keinen Skill erlebt, der die Hände in die Hüfte gestemmt hat, um zu verkünden: "Ne, für dich funktioniere ich nicht!".

 

Skills haben Hierachien. Und sie sind sehr persönlich. 

 

Wenn gar nichts funktioniert, dann braucht die Situation einen Skill aus dem Bereich der Achtsamkeit. Die schaden nie, runterkommen, entspannen ist immer hilfreich, und sie geben neuen Raum für weitere Maßnahmen.

 

"Ich kann das nicht" gibt es im DBT nicht. Es geht nichts um Können, sondern nur darum, in jeder Minute des Lebens das beste für sich selbst zu tun. Und das ist eine Suche nach dem richtigen in genau dem einen Moment und kein Zusammensammeln aller möglichen Alternativen.

 

Retter, Förderer, Wohltäter, Protektor

 

Borderline-Betroffene sind nicht die einzigen Menschen in Krisen. Vielleicht entscheidet sich nicht jeder Mensch gleich für die krasse Selbstverletzung, aber auch da gibt es Krisen, Zusammenbrüche, HIlflosigkeit und die Suche nach Trost. Das ist dann der berühmte Drink, der Becher Eiskrem, die Tafel Schokolade.

 

Es ist also normal in einer Ausnahmesituation Trost zu suchen. Und gerade Drink, Eiscreme und Schokolade gehören eher nicht zu den "guten Skills". Sie helfen vielleicht kurzfristig, nur wenn man das öfters macht, schaden sie langfristig.

 

Wenn ich als Borderline-Betroffene meinen Notfallkoffer "packe", ist das für mich kein "Borderline-Sonderwerkzeugkoffer". Ich weiß, ich komme schneller in Krisen als andere. Und sie sind meist stärker. Aber ich weiß auch, wie jeder Mensch brauche ich etwas, das mich in so einem Moment erdet und etwas, das mir Trost gibt. Danach suche ich die Skills aus, die ich in meinen Koffer lege. Und den packe ich übrigens jeden Tag neu, wenn ich das Haus verlasse, je nachdem, wo ich hingehe.


Resilienz

Unter Resilienz versteht man die Widerstandskraft eines Menschen gegenüber Krisen, Verlusten, Demütigungen.

 

Borderline-Betroffene sind damit eher gering ausgestattet und das Packen eines Notfallkoffers kann ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Worauf also kommt es bei der Resilienz an? Was hilft einem Menschen dabei, trotz Krisen zuversichtlich zu bleiben und immer wieder nach jedem Fall aufzustehen? Und wo sehen Sie Ihre persönliche Schwäche? Wo brauchen Sie Unterstützung, einen Förderer, einen Wohltäter? Und ganz wichtig: Welcher dieser Säulen bietet Ihnen bereits eine solide Basis?

 

Mir persönlich war es immer wichtig, mich an die Ressourcen zu erinnern, die ich bereits habe und die schwachen Säulen entsprechend zu stärken. Und wenn man sich das Bild vorstellt, dass es da hohe, starke Säulen gibt und weniger gut ausgebaute, dann ist es kein Wunder, dass das Leben holprig und instabil ist. Das muss ja wackeln.

Die sieben Säulen der Resilienz

Optimismus

Jede Krise geht vorbei. Wir haben schon ganz andere Dinge überlebt. Aus jeder Krise kann etwas Gutes entstehen.

 

--> vielleicht haben Sie in Ihrem Notfallkoffer ein Bild aus besseren Tagen, das Mut macht.

Akzeptanz

Nur wenn die Krise erkannt und akzeptiert wird, kann ich die gesamte Energie in ihre Bewältigung stecken.

 

--> vielleicht haben Sie einen Zettel in Ihrem Geldbeutel: Es ist, wie es ist! Aber es wird, was du daraus machst.

Lösungsorientiert

Erwartungen und Ziele auf Möglichkeiten abklopfen und kleine Schritte gehen.

 

--> vielleicht haben Sie einen Stein in Ihrem Notfallkoffer, der daran erinnert, dass man eine sichere Burg nur Stein für Stein bauen kann.


Verlassen der Opferrolle

Sich nicht ausgeliefert und hilflos zu fühlen, hat etwas damit zu tun, dass man sich aktiv mit der Krise auseinander setzt und nach kleinen (die werden später von alleine größer) Veränderungs-möglichkeiten sucht.

 

--> vielleicht haben Sie einen alten, schön geschmiedteten Schlüssel an einer Kette um den Hals, der Sie daran erinnert, Sie dürfen die Situation jederzeit verlassen und erst einmal für sich selbst sorgen.

Übernehmen der Verantwortung

Nur wenn ich meinen eigenen Anteil an der Situation erkenne, kann ich Einfluss nehmen und mein Handeln anpassen. Dabei geht nicht um Schuld, sondern um Verantwortung.

 

--> Wie wäre es mit einer Kastanie in der Tasche? Als Assoziation zu Kastagnetten. "Es braucht zwei zum Tango." Jeder hat seine Schritte im Tanz des Lebens und jeder muss auf seine Füße achten.

Aufbau von Netzwerken

Über eine Krise reden zu können, ist ganz wichtig. Im Gespräch entstehen neue Ideen, zeigen sich neue Lösungswege.

 

--> das ist wohl eine der schwierigsten Säulen. Neue Freunde klopfen nicht gerade täglich an die Tür. Zu diesem Kompetenznetz können aber auch Ärzte, Therapeuten und Seelsorger gehören. Die Telefonnummer der Telefonseelsorge. Das Schreiben in einem Forum. Vielleicht muss man das manchmal sehen, wie groß das Netz ist. Da helfen Murmeln in einem Glas. Für jeden Kontakt eine.


Zukunft planen und gestalten

Es gibt immer eine Wahlmöglichkeit, verschiedene Optionen. Die sind manchmal zunächst sehr klein und man ist an vielen Ecken eingeschränkt. Aber das ist wie einem verknoteten Wollknäul. Es braucht Zeit, den Anfang zu finden und dann viel Geduld, um es Stück für Stück zu entwirren. Aber es geht.

 

--> Vielleicht legen Sie sich ein Erfolgstagebuch an, auf das Sie gerade in den hoffnungslosen Momenten zurückgreifen können, um sich daran zu erinnern, was Sie bereits alles geschafft haben und was sich bereits alles verbessert hat. 

 

Ansonsten ist der Notfallkoffer selbst doch bereits der Beweis, dass man neue Wege gehen kann und Dinge sich verändern. Dass man kämpft.