Was ist die Dialektische Behavioral Therapie?

In den 1980er Jahren entwickelte die amerikanischen Psychologin Marsha M. Linehan das DBT-Training. Sie basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie, umfasst aber auch Elemente anderer Therapierichtungen sowie fernöstliche Meditationstechniken.

Die dialektische Betrachtungsweise

DBT vereint unterschiedliche Ansätze. Eine davon ist die “dialektische Betrachtungsweise”. Dialektik ist eine Methode, bei der man die eigene Position durch gegensätzliche Behauptungen infrage stellt, um durch die Zusammenführung beider Positionen eine Erkenntnis höherer Art zu gewinnen. In der Psychologie, wie hier in der DBT, soll sich anhand dieser Technik ein lebendiges Gleichgewicht zwischen extremen Positionen entwickeln können.

 

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist ein Leben in Extremen. Graustufen werden kaum wahrgenommen und das Leben ist wie eine permanente Achterbahnfahrt zwischen Schwarz und Weiß. Probleme, Leid, Schmerz werden als überwältigend und vereinnahmend erlebt, sind meist erdrückend übermächtig. Der innere Druck ist enorm, so als würde man die ganze Zeit versuchen, ein Niesen aufzuhalten, (was vielleicht manche Explosion erklärt?). Ein Blick, ein Wort kann genügen, und die Stimmung kippt. Die Gefühle gehen von “ich liebe dich” direkt zu “ich hasse dich”. Borderline ist ein Leben am Abgrund.

 

Durch die Entdeckung der Zwischentöne eröffnet sich ein Blick auf die unterschiedlichen Facetten des Lebens. Wenn Jemand zum Beispiel meine Art, wie ich mich anziehe, nicht mag oder er denkt, ich erledige meine Aufgabe nicht zufriedenstellend, sagt die Borderline-Störung: “Der lehnt mich ab! Ich bin scheiße!”.  Jeder Fehler füttert den Selbsthass, da die Kritik sich scheinbar nicht auf die Situation sondern auf den Menschen bezieht. Damit gerät man gefühlsmäßig unter ständigen Druck, denn nur wer perfekt ist, wird auch geliebt. Leben heißt Bedrohung und man steht unter permanentem emotionalen Stress.

 

So war für mich eine der wichtigsten Lernerfahrungen: Meine Gefühle sind nur das: Gefühle! Oder anders gesagt: "Ich bin nicht meine Gefühle!". Damit kann ich zu meinem Inneren auf Distanz gehen, mir diese Gefühle genauer anschauen, sie reflektieren und auch versuchen, sie besser zu verstehen. Es kann mir psychisch schlecht gehen und gleichzeitig kann ich mich distanzieren und die Gefühle vorbei ziehen lassen. Ich kann Fehler machen und trotzdem ein liebenswerter Mensch sein. Das ist Dialektik.

Kognitive Verhaltenstherapie

Die kognitive Verhaltenstherapie geht davon aus, dass unser Denken einen Einfluss auf unsere Gefühle hat sowie darauf, wie wir uns verhalten und körperlich reagieren.

 

Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie ist es, dem Betroffenen zu vermitteln - und ganz wichtig "erleben zu lassen!", - dass er sein Leben selbst in der Hand hat und die Situationen, die ihm schwierig erscheinen und vor denen er Angst hat, selbst kontrollieren kann.

 

Ich habe gelernt, dass ich durch mein Verhalten meine Gefühle sowie auch meine Gedanken beeinflussen kann. Auch da, wo ich den Lauf der Dinge nur rudimentär beeinflussen kann, ist es immer noch meine Entscheidung, wie ich damit umgehe. Meine Gefühle sind nicht weniger überwältigend, aber ich verliere mich nicht mehr darin.

 

Hierzu war es nötig, mich vertrauensvoll auf die Vorgaben der Therapie einzulassen, neues Verhalten auszuprobieren und neu zu beurteilen.

Radikale Akzeptanz

Annehmen der gegenwärtigen Situation, weil sie so und nicht anders sein kann, bei gleichzeitiger Übernahme der Verantwortung für die Änderung schwieriger oder belastender Situationen; diese Sicht auf die Welt ist für mich eine der besten Errungenschaften, die ich dem DBT verdanke.

 

Man kann lernen, dem Leben gelassener und freundlicher gegenüber zu treten und allein damit viel an Unruhe und Schmerz aus seinem Dasein nehmen.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.



Wie verläuft eine Therapie?

Die Therapie kann in Einzel- und Gruppensitzungen, im klinischen Setting oder ambulant durchgeführt werden. Die Therapeuten sind nicht nur technisch versiert, im Verlauf der Ausbildung wird man auch in einem bestimmten Menschenbild geschult. Im Rahmen der DBT sind Wertschätzung und gegenseitiger Respekt eine wichtige Grundlage.  

Therapeutische Grundannahmen

 

Im Verlauf des Lebens eignet sich jeder Mensch Fertigkeiten an, um mit dem Leben klar zu kommen, sich vor Verletzungen zu schützen. Wir alle versuchen, das Beste aus unserer Situation zu machen. Borderline-Betroffene tun das leider immer wieder mit unpassenden und unangemessenen Werkzeugen. Wie ein Bergsteiger mit dem falschen Schuhwerk.


Irgendwann steht man vor der Erkenntnis: So kann es nicht weiter gehen!

 

Wichtig war für mich die Erkenntnis, dass ich als Borderline-Patient Fertigkeiten entwickelt habe, die einem gesunden Leben im Weg stehen. Entscheidend sind dabei die Worte "ich habe entwickelt". Das heißt nämlich, ich besitze die wichtigste Fähigkeit und kann sie im Hier und Jetzt für mich einsetzen und an mir arbeiten. Ich kann lernen und ich kann umlernen. Ich kann neue Fertigkeiten entwickeln. Dabei muss ich mich oft stärker anstrengen und stärker motiviert sein, um mich zu verändern, als gesunde Menschen. Das ist nicht unbedingt gerecht, aber es ist eben wie es ist. Radikale Akzeptanz ist ein Skill.

 

Ich bin nicht schuld an meiner Erkrankung. Das ist niemand. Und mir darüber Gedanken zu machen, bringt mich nicht weiter. Was mich weiterbringt, ist meine Fähigkeit, nach Lösungen zu suchen. Borderline-Patienten haben viele Lösungsstrategien, die nur leider auf eine kurzfristige Erleichterung zugeschnitten und langfristig eher schädlich sind. Es geht also darum zu schauen, was tut mir im Hier und Jetzt gut und schadet mir dabei nicht im nächsten Moment, im Morgen.

 

DBT ist eine Suche. Sie dauert beim einen kürzer, beim anderen länger. Aber so lange ich suche, bin ich nicht gescheitert. Ich kann nicht versagen, wenn ich dran bleibe. So ist auch jedes Entdecken einer neuen Fertigkeit, das Aneignen eines Skills ein langfristiger Erfolg. Langfristig dann, wenn wir ihn nicht wieder aus den Augen verlieren. Es geht also einerseits darum zu schauen, was tut mir gut und andererseits, darüber auch "Buch zu führen".

 

Das Gefühl für meine kleinen Erfolge konnte ich mir recht früh zueigen machen und ich glaube, es war für mich ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem entspannteren und lebenswerteren Leben. "Wir loben nicht den Erfolg sondern den Versuch" ist eine Grundlage von DBT. Man probiert sich aus, wagt neue Wege. Das ist die Voraussetzung, um sich selbst besser kennen zu lernen und damit herauszufinden, was einem denn eigentlich gut tut und ob die Konsequenzen auch über längeren Zeitraum sich nicht ins negative wandeln.

Am Ende gibt es immer ein Happy End.

Und gibt es kein Happy End, ist es noch nicht das Ende!


Gruppentherapie

Das geschützte Setting der Gruppentherapie setzt sich in der Regel aus ca. 10 Leuten und zwei Therapeuten zusammen.

 

Modul 1 und 2:

Zunächst lernt man, was Skills eigentlich sind und wie man einen Notfallkoffer packt. Es geht um Achtsamkeit und Stresstoleranz. An diesem Punkt werden verschiedene Formulare ausgeteilt, anhand derer man üben kann, sich selbst besser zu beobachten. 

 

3 weitere Module:

Wenn die beiden Module "Achtsamkeit" und "Stresstoleranz" durchlaufen sind, warten drei weitere Module auf den Betroffenen. Es gibt keine feste Reihenfolge, wie diese zu durchlaufen sind. Man lernt, sich mit den Gefühlen auseinander zu setzen und effektive zwischenmenschlichen Fertigkeiten zu entwickeln. Außerdem arbeitet man an Techniken, die den Selbstwert steigern.

 

In Ergänzung Einzeltherapie:

Gerade die letzten drei Module sollten nur dann durchlaufen werden, wenn parallel eine einzeltherapeutische Unterstützung vorhanden ist, da viele Verletzungen angetickt werden können. Auch kann es sein, dass man sich unangenehmen Erinnerungen stellen muss. Alte Muster werden in Frage gestellt und gerade das hinterlässt ein Gefühl an Unsicherheit.

 

In Ergänzung Ergotherapie:

Eine weitere mögliche Unterstützung ist die Ergotherapie. Zu Beginn meiner Erkrankung hat mir meine Psychiaterin 4 Stunden Hausbesuch verschrieben. Ein Rezept für die Ergotherapie muss innerhalb von 14 Tagen eingelöst werden, das heißt, man findet relativ schnell Unterstützung.

 

Die Ergotherapeuten unterstützen in allen täglichen Belangen. Sie helfen beim Einüben neuer Verhaltensweisen. Gemeinsam mit dem Ergotherapeuten kann man sein Verhalten reflektieren und wie sich Veränderungen im eigenen Denken und Handeln auf Beziehungen auswirken. Im Gegensatz zur Gesprächstherapie erhalten Ergotherapeuten einen direkten Einblick in den Alltag des Betroffenen und können so auf alte Muster im Verhalten aufmerksam werden.

 

In Ergänzung Betreutes Einzelwohnen:

Ähnlich wie bei der Ergotherapie erlebt der Betreuer/die Betreuerin den Betroffenen im Alltag, da Hausbesuche stattfinden. Die Aufgaben sind unterschiedlich. Das reicht von der Unterstützung bei der Strukturierung im Alltag über gemeinsame Ämtergänge bis zur Ermöglichung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (Museumsbesuche, Café-Besuche, Parkbesuche, etc.).

 

Auch hier ist das gemeinsame Reflektieren über Verhalten im Alltag eine gute Ergänzung, um neue Verhaltensweisen zu überprüfen.


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Ich über DBT

Über mehr Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Ich gelangt man zu mehr Verständnis für sich, kann seine Gefühle besser regulieren und findet damit seinen Platz in der Welt.


Ich über Skills

Skills sind Fertigkeiten, die einem dabei helfen können, die eigenen Gefühle besser kennen zu lernen und somit kontrollieren zu können.


Ich über Krisen

Krisen spielen gerne die Hauptrolle und lassen uns vergessen, dass wir die Regisseure in unserem Leben sind.


Ich über mich

Weiblich, Jahrgang 1964.

 

2013 Erkrankung an einer Angst- und Panikstörung.

 

2014 Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung.

 

2014-2017 Ambulante Teilnahme an DBT

 

2019 Beginn einer Ausbildung zur Ex-In-Genesungsbegleiterin



DBT kurz und knackig

"Ich bin nicht meine Gefühle!"

Gruppenerkenntnis


"Wenn der Skill nicht hilft, suche einen 'kleineren'."

Meine Erkenntnis


"Gedanken bedingen Gefühle und Gefühle bedingen Gedanken."

Gruppenerkenntnis


"Panik immer erst, wenn es sich lohnt und es lohnt sich selten."

Meine Erkenntnis


"Immer erst die Auszeiten planen. Die stressigen Termine kommen von allein."

Erkenntnis meiner Ergotherapeutin


"Wir loben den Versuch, nicht den Erfolg."

Gruppenerkenntnis


"Skills sind keine Tiefflieger!"

Meine Erkenntnis


"Gefühle sind nur Impulse und keine Forderungen."

Meine Erkenntnis