Zwischenmenschliche Fertigkeiten

Starke zwischenmenschliche Fertigkeiten sorgen für ein zufriedenes Leben in allen Bereichen.  Dazu gehört nicht nur der Aufbau Halt gebender Beziehungen, auch ethisches Verhalten sowie  klare Kommunikationsformen gehören dazu sowie die Fähigkeit zur effektiven Teamarbeit. Ein gesundes soziales Leben fußt auf Gegenseitigkeit und Miteinander.

 

Gesunde Kommunikation

 

Es gibt unterschiedliche Kommunikationsmodelle, die für ein besseres Miteinander sorgen sollen, wie etwa gewaltfreie Kommunikation oder Ich-Botschaften. Gerade im Verlauf der DBT hat mir die Beschäftigung mit solchen Theorien geholfen, mein eigenes Verhalten zu hinterfragen. Gleichzeitig half es mir auch, das Verhalten meiner Umgebung besser einschätzen zu können und zu sehen, wo ich mit einer Kommunikationsform konfrontiert werde, die mir nicht gut tut. An diesen Stellen kann ich ein anderes Verhalten mir gegenüber einfordern oder mich zurückziehen.

 

Empathie sowie Menschenkenntnis helfen im Alltag. Nicht immer trifft man in "freier Wildbahn" auf eine ausreichende Entwicklung sogenannter Softskills (sozialer Fertigkeiten). Es ist ein Spannungsfeld, das auch nach Durchlaufen des DBT-Trainings für den Borderline-Betroffenen nach wie vor bestehen bleibt.  Man kann das eigene Verhalten verändern und anpassen, das heißt jedoch nicht unbedingt, dass das Umfeld sich ebenfalls verändert.

 

Gerade zu der Beginn einer Genesung braucht man darum einen geschützten Rahmen, in dem man Vertrauen aufbauen kann. Es braucht eine wertschätzende Umgebung ohne Wertung und Verurteilung, in der man angenommen wird und einfach sein darf mit allem, was man an problembehafteten Verhalten mit sich herum schleppt. Darum empfehlen Ärzte und Therapeuten häufig ein stationäres DBT-Training. 

 

Eine Baustelle nach der anderen

 

Ich setze eben dieses Thema an den Anfang, weil es für mich hilfreich war, an der Verringerung meiner eigenen Verwundbarkeit zu arbeiten. Annahme, Wertschätzung, Urteilsfreiheit, das sind Dinge, die muss man erst im Außen erlebt haben, bevor man sie im Inneren finden kann.

 

Ich selbst habe die Therapie ambulant gemacht und habe gerade zu Anfang versucht, den Alltag beim Üben der Skills erst einmal außen vor zu lassen. Viele neue soziale Skills habe ich im Rahmen der Gruppe ausprobiert und dort geübt; oder eben parallel mit meiner Ergotherapeutin. Anforderungen zu stellen wie "um etwas bitten" oder "nein sagen" hatten einen gewissen Schrecken für mich. Ich brauchte die nötige Sicherheit, im Gegenüber Menschen zu haben, die sich selbst reflektieren und achtsam mit sich umgehen können. Ich brauchte Menschen, sozusagen "Versuchskaninchen", die ihre Bedürfnisse klar kommunizieren können und mir gegenüber wertschätzend sind.

 

Es war mein Eindruck, dass manche Borderline-Patienten da zu viel von sich erwarten. Die Grundlage von Veränderung ist Erfahrung und diese sollte man in einem sicheren Umfeld machen. Überfordern Sie sich nicht! Gehen Sie immer wieder auf sicheres Terrain zurück. Wenn ein Skill nicht funktioniert, dann weil er für die Situation "zu groß" ist. Beginnen Sie bei der Achtsamkeit, achten Sie auf die Stresstoleranz. Wenn nichts funktioniert, ist die Rückkehr zu dieser Ebene eine gute Wahl.

 

Es ist kontraproduktiv, wenn man sich an einen Skill ran traut, gerade im zwischenmenschlichen Bereich, und dann häufig scheitert. Üben Sie sich in Selbstfürsorge. Suchen Sie einen Ort, eine Situation, wo ein Scheitern wertschätzend reflektiert werden kann. Skills sind eben keine "Tiefflieger" und treffen einen nicht an der Stirn und alles ist gelernt. Es ist ein stetes Ausprobieren, sich hinterfragen, Muster erkennen, sich neu sortieren, mutig sein. Die Veränderung passiert langsam, manchmal ohne dass man es merkt. Wie ein Löwenzahn, der durch den Asphalt bricht. Da passiert viel, bevor man etwas bemerken kann.

 

Achten Sie darauf, dass Sie auf der ersten Stufe beginnen und nehmen Sie nicht zwei Stufen auf einmal!


Der DBT Schutzmantel

 

Nach meiner Erfahrung fehlt einem, wenn man sich einem Modul bzw. einer Aufgabe nicht gewachsen fühlt, die emotionale Sicherheit. Man sollte sich nicht jeder Aufgabe stellen, nur weil sie auf der Liste steht. Es ist durchaus sinnvoll, sich Gelerntes in Erinnerung zu rufen und von dort das Gefühl der Kompetenz zu holen. Wenn es um die Verringerung der Verletzbarkeit geht, hilft es sich die Skills im Modul "Umgang mit Gefühlen" ins Gedächtnis zu rufen. Wenn man dort Sicherheit aufgebaut hat, kann man sich auf dieser Basis eher an die zwischenmenschliche Interaktion trauen.

 

Natürlich ist man gewissen äußeren Gegebenheiten unterworfen. Die Module bauen nun mal aufeinander auf und es ist wenig praktisch, Monate zu warten, um den Kurs "Umgang mit Gefühlen" zu wiederholen. Tatsächlich ist es hilfreich, sich dem Stoff des nächsten Moduls zu stellen, auch wenn man sich noch nicht ganz bereit fühlt. Es ist gleichzeitig  wichtig, auf sich selbst zu achten und man darf Lernaufgaben anpassen und sogar auf einen günstigeren Zeitpunkt verschieben. Auch aus dem Mitgefühl zu sich selbst ergibt sich innere Stabilität. Indem man gut für sich sorgt, fühlt man sich körperlich und seelisch gestärkt.

 

Aus den zahlreichen Skills im DBT weben Sie sich Ihren ganz persönlichen Schutzmantel!

Die Sache mit der Eigenverantwortung

Gerade für einen Borderline-Betroffenen ist die stabile Plattform der Eigenverantwortung eine heilsame Entdeckung.

 

Stabilität bedeutet Sicherheit. Es gibt diesen wunderschönen Spruch, man kann nicht vor sich selbst davon laufen. Man nimmt sich überall mit hin. Man nimmt auch sein Leid überall mit hin. Wer versucht davor zu fliehen, wird vor immer größeren Mauern landen und zusätzliches Leid produzieren.

 

Für Marsha M. Linehan ist radikale Akzeptanz eine der wichtigen Grundlagen der DBT. Es geht dabei nicht um eine Billigung der widrigen Umstände, ein Hinnehmen oder gar Aufgeben. Sondern um den ersten Schritt zur Eigenverantwortung. Die Dinge sind, wie sie sind.

 

Ich hätte gerne eine hochmoderne Küche mit Induktionsherd, Dampfgarer, Suvitkocher, einer langen Arbeitstheke, einem Umluft-Ofen der Superlative. Während ich mich in aller Heftigkeit darüber ärgern könnte (und ich bin Borderline-Betroffene, ich kann mich so richtig ärgern!), denke ich mir, mit Hightech kann jeder kochen, ich nehme stattdessen lieber die Energie und koche in meiner bescheidenen Küche das eine oder andere leckere Mahl und kreiere verführerische Kuchen. Das ist radikale Akzeptanz.

 

Ich akzeptiere meine emotionale Unruhe, die depressiven Phasen. Ich kämpfe nicht mehr gegen die Angst. All das sind Teile meiner Persönlichkeit. Ebenso wie die intensiven Gefühle, der Schmerz und die Einsamkeit. 

 

Wir haben uns unsere Lebenssituation nicht gewählt, sie mag schwer und unfair sein, aber wir können uns die Fertigkeiten aneignen, das Beste daraus zu machen. Im zwischenmenschlichen Bereich bedeutet dies, dass wir Forderungen stellen dürfen und müssen.

 

Man meint, indem man sich anpasst, unauffällig ist, sei man ein angenehmer Zeitgenosse. Bloß keine Forderungen stellen, denn diese belasten die Beziehung. Tatsächlich aber merken die Angehörigen und freunde natürlich, dass es uns nicht gut geht und je früher man das kommuniziert, umso früher können alle Beteiligten daran arbeiten, den Druck zu verringern.

 

So gehört zur Eigenverantwortung eben auch die klare Vermittlung der eigenen Bedürfnisse. Damit kann das Gegenüber seine Bedürfnisse mitteilen und man findet einen Kompromiss. Je besser der andere unsere inneren Kämpfe kennt, sie versteht, umso besser kann er sie mittragen. So ist gegenseitige Offenheit eine wichtige Grundlage für eine gesunde Beziehung. Meine Erfahrung ist, dass es die Leute häufig verunsichert, wenn sie beim Gegenüber eine Unsicherheit wahrnehmen. Wenn man diese direkt anspricht, können sie besser damit umgehen.

 

Es fällt mir heute viel leichter zu signalisieren oder besser sogar laut auszusprechen, dass ich  mich unsicher fühle, nicht weiter weiß, die Situation nicht einschätzen kann. Ein Schulterzucken und der Satz: "So, jetzt bin ich verunsichert und weiß nicht, was ich tun soll", gibt dem anderen eine Handlungsmöglichkeit. Er kann die Angelegenheit voran bringen. Und ich bin ehrlich gesagt sogar ein bisschen erstaunt, wie oft man die Antwort bekommt: "Oh gut, dann sind wir schon zwei." So findet man häufig Verbündete.

Übung "Orientierung auf das Ziel"

Hin und her gerissen zwischen zwei Polen verliert man gerne mal das Ziel aus den Augen. Gerade in der Beziehung kann eine Krise schnell zur Existenzfrage werden. Ein kleiner Streit stellt alles in Frage. Man verliert das Große ganze aus den Augen.

 

Eine mögliche Übung könnte so aussehen, dass man sich eine Kiste zulegt, in der man die positiven Momente der Beziehung sammelt. Bilder, kleine Souvenirs von Ausflügen, oder man schreibt wertschätzende Aussagen auf Postkarten und legt diese in die Kiste.

 

Man kann auch gemeinsam eine Liste erstellen, was man sich von der Beziehung erhofft. 

 

Beim nächsten "Alles in Frage stellenden Streit" holt man die Kiste hervor und betrachtet bewusst diesen anderen Teil der Beziehung, der auch dann noch seine Gültigkeit hat, wenn es gerade schwierig ist. So schafft man eine Balance zwischen weißer und schwarzer Seite.

Übung "Nein sagen"

Man ist großzügig, unterstützend, herzensgut. Und was kommt zurück? Eine Geschichte, die ich immer wieder von Borderline-Betroffenen höre.

 

Zum einen ist es schwer, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und man stellt sich so leicht und schnell auf sein Gegenüber ein, dass es oft dieses "Nein" gar nicht zu geben scheint.

 

Zum anderen ist da oft ein Hang zu geben, um jemanden vermeindlich an sich zu binden. Nein zu sagen birgt immer das Risiko verlassen zu werden.

 

Nein sagen ist oft schwer. Die Übungen können und sollten daher klein anfangen. Nehmen Sie sich eine bestimmte Sache vor, zum Beispiel nicht immer den Müll runterzubringen neben all der anderen Arbeit, die Sie sonst noch leisten. Schauen Sie sich an, wie der Andere reagiert. Man muss das auch nicht gleich auf Biegen und Brechen bis zum großen Streit durchziehen. Es geht eher darum, es zu tun und dann die Situation zu beobachten.

 

Kleine Anmerkung: "Nein!" ist ein vollständiger Satz. Er braucht keine Erklärung, keine Rechtfertigung.

 

 

 

Übung "Validierung"

Bei der Validierung handelt es sich um eine Form der Kommunikation, die es erleichtern soll, positiv mit anderen Menschen zu kommunizieren.

 

Bei der Validierung geht es darum, sein Gegenüber aktiv anzunehmen, ihm zu signalisieren, dass man ihn und seine Meinung wahrnimmt. Erkennen Sie die subjektive Meinung des Anderen an.

 

Nehmen wir einen leichten Sommerregen. Ist der nun willkommen oder eine Zumutung? Das kommt ganz auf den Standpunkt an. Für den Bauern, der wochenlang zuschauen musste, wie die Pflanzen auf seinem Feld verdursten, ist es ein Segen. Für jemand, der an seinem einzig freien Tag in der Woche ins Freibad gehen wollte, ist der Regen eher unwillkommen. Man kann die Motivation des Gegenübers wahrnehmen, anerkennen und trotzdem seinen Standpunkt behaupten.