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Bin ich jetzt noch Borderline?

 

Borderline-Betroffene und etwas durchziehen, etwas zu ende bringen, mit diesem Thema könnte man ganze Bücher füllen. Der Selbstzweifel ist ein steter Begleiter. Ohne Feedback von außen fühlt man sich wie ein JoJo, hoch, runter, hoch, runter. Spätestens nach der Hälfte ist alles nicht mehr richtig, nur noch blöd und die Unsicherheit zerreißt einen fast.

 

Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, habe ich stets die Abwechslung gesucht, viel angefangen, wenig beendet. Da macht sich ein dumpfes Gefühl breit, nun wo so ein großes Projekt aus der Gemütlichkeit meines Wohnzimmers in die große weite Welt des Webs entlassen werden kann.

 

Aber zum Glück sehe ich ja noch jede Menge Stellen, an denen muss, soll, möchte ich noch was ändern - "verbessern", um es genauer zu sagen. Borderline-Betroffene verbessern gerne und viel. Weil alles nie gut genug ist. Das erlebe ich häufig.

 

Was wenn nun einer daher kommt und dem gefällt die Seite nicht?m Oder schlimmer noch, er hat DBT ganz anders verstanden, findet es total blöd ... findet mich blöd?

 

Wenn ich meine Worte hier so verfolge, sehe ich schon: irgendwas irgendwie fertig zu bekommen, scheint dann doch nicht das Ende der Borderline-Persönlichkeitsstörung zu sein. - Einen Moment hatte ich schon Sorge ;-).

 

Tatsächlich brodelt es in mir. Es ist viel mehr als eine leichte Anspannung, eine leichte Aufregung, die wohl jeden befallen würde, bevor er in den Weiten des Netzes sein Innersten nach Außen kehrt. Vielmehr ist es ein Tauziehen. Hohe Anspannung und Zweifel auf der einen Seite, das "was-wäre-wenn-Gedankenkarussel" im Hochbetrieb. Dagegen auf der anderen Seite die Freude, es endlich geschafft zu haben. Früher wurde eine Panikattacke draus; zu viele Reize, die das System überfordern. Nicht die Reize von außen, die Reize von innen.

 

Ich möchte schreien, die ganze Zeit nur schreien.

 

Emotionssurfing

 

Es ist ein Kampf, ermüdende Armlänge um Armlänge schwimme ich gegen den Chaos-Strom in meinem Kopf an. Eine zerreißende Spannung zieht durch den Körper, als würde jede Zelle in mir beschließen zu explodieren. Wie ein Kind, das übermüdet ist, aber nicht aufgeben kann.

 

Ich konnte nie aufgeben, heute weiß ich, es hilft nur loslassen, es zulassen. Ich stelle mich nicht mehr dem Fluss der Gefühle entgegen. Sie sind da, sie haben ihre Berechtigung.

 

Alles was ich tun kann, meine Aufgabe in diesem Spiel des Lebens, ist es zu atmen. Atmen ist die Essenz, die Grundlage, sonst hilft keine Nahrung, nicht mal Liebe. Atmen ist der Anfang.

 

Atmen verändert das Gehirn

 

Durch die Nase einatmen - drei mal so lange durch den Mund ausatmen. Tief einatmen, aber noch wichtiger, lange ausatmen. Langes ausatmen beruhigt, nachweislich verändert sich etwas im Gehirn.

 

Forscher haben herausgefunden, die Art wie wir atmen, verändert unser Gehirn. Wenn man durch die Nase einatmet, aktiviert das unser Gedächtnis. Also spüre ich die Nasenflügeln beben, nehme das Weiten des Brustraums wahr, bemerke das Heben und Senken im Bauchraum und dann gebe ich den Atem zurück in die Welt. Langsam, bedacht und bewusst.

 

Ich gebe dem Gehirn Raum für neue Gedanken, die Gefühle nach sich ziehen. Hellere, leichtere Gefühle. Ich werde ruhiger und die leichteren Gefühle ziehen positivere Gedanken an. Der Kreislauf verändert sich.

 

Düfte sprechen unsere Instinkte an

 

Mein Körper erlaubt mir jetzt, die Müdigkeit und Erschöpfung eines langen Tages zu spüren. Das dämpft die Aufregung und ich kann im Hier und Jetzt sein. Ich habe mich mit einem Chai Latte belohnt. Die Wärme strömt durch den Körper, aber viel wichtiger ist dieser Geruch nach den Gewürzen. Ein Kribbeln in der Nase, Speichel läuft im Mund zusammen. Gerüche sprechen direkt zu unseren Instinkten. Und der Geruch sagt mir: "Atme tief ein!"

 

Wenn wir die Sprache der Düfte verstehen, schaffen wir uns selbst Momente der Ausgeglichenheit.

 

Es ist wie es ist

 

Es ist also geschafft, die Seite ist offiziell online. Der Tag geht zu ende. Mit all seinen Aufregungen, Ängsten, den Freuden, mit der Wäsche, die über Nacht auf dem Balkon bleibt - das war so nicht vorgesehen - und auch mit dem Müll, den ich heute unbedingt raus bringen wollte - ganz unbedingt. Es ist nicht der Tag geworden, den ich geplant habe.

 

Dafür habe ich Puddingschnecken gebacken, ich habe lange mit meiner Samtpfote darüber geredet, ob es ihr bei mir gut geht und das liebe Katzentier hat ihr Köpfchen so vertrauensvoll in meine Hand geschmiegt, dass es mich noch immer rührt.

 

Es war nicht der große Moment, wie ich immer dachte, der große Abschluss, die große Bekanntgabe. Es war mehr an Zweifel als ich es mir gewünscht hätte. Aber so ist das eben. Die Tage sind, wie sie sind. Mal Kampf, mal weniger. Mal im Fluss und mal im Hurrican der Gefühle.

 

Was wirklich zählt, in diesem einen Moment meines Lebens, im Hier und Jetzt, ich bin ganz bei mir, ganz bei meinem Chai Tee und ganz bei meinem Atem.

 

Und morgen - morgen ist ein anderer Tag.

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